Über seine österlichen Erlebnisse berichtet Heinrich Siefer, der auch über das Öffnen der Kirchen für Gottesdienste nachdenkt. Ostern, dass haben viele sicher noch gut in Erinnerung, war so ganz anders als sonst. Keine Osternachtfeier in der dunklen Kirche, kein Osterfeuer, kein mit Inbrunst gesungenes „Das Grab ist leer“ – still war es, ruhig war es. Und doch war Ostern, für mich sogar ein sehr berührendes Ostern. Von zwei unterschiedlichen Erfahrungen möchte ich da erzählen:

Über FaceTime verbunden, haben wir als Familie in diesem Jahr die Osternacht erlebt. Ich hatte den Kindern zuvor eine von mir verzierte Osterkerze geschickt. Die haben wir nach dem Entzünden eines „Osterfeuers“ im heimischen Garten und einem kleinen Impuls jeweils an den verschiedenen Lebensorten angezündet. Das war für alle in dieser besonderen Zeit sehr nahe und berührend. Und irgendwie bekam Ostern für uns alle dadurch eine ganz andere Tiefe und Bedeutung als in den vielen Jahren zuvor. Und dann am Ostersonntag habe ich neu die Bedeutung und Notwendigkeit „Heiliger Orte“ entdecken können.

Meine Frau und ich hatten uns für eine Fahrradtour nach Lindern entschieden. Wir wollten dort auf dem Friedhof die Gräber unserer Eltern besuchen und dort ein Licht entzünden. Auf dem Weg dann eine kleine Pause in Molbergen. Die Kirche dort hatte offene Türen. Das Hauptportal stand einladend weit offen. Die Strahlen der Mittagssonne füllten den Raum aus, und der Glanz von unzähligen Kerzen lud ein, den Raum zu betreten. Eine Fülle von Licht erzählte vom Leben in den doch gerade so erlebten unsicheren und bedrückenden Zeiten. Mit dem Licht der Kerzen, die sich bis zum Chorraum aufreihten, kam uns Ostern quasi entgegen. „Sorge dich nicht. Alles wird gut!“ – diese Gedanken machten sich in mir breit. Hoffnung verströmte sich. Ich fühlte mich an Mose und seine Erfahrung vom brennenden Dornbusch erinnert.  Es zog mir quasi wie Mose die Schuhe aus. „Dies ist ein heiliger Boden, ein heiliger Ort“, kam es mir in den Sinn. Dankbar für dieses besondere Ostererleben verließen wir dann später wieder die Kirche und machten uns weiter auf den Weg.

Diese beiden besonderen „Ostererlebnisse“ gehen nun weiter mit mir mit. Ich bin dankbar für diese Erfahrungen, trotz oder gerade wegen der fehlenden Möglichkeit, Gottesdienst im Kirchenraum feiern zu können. In der Diskussion um ein baldiges Öffnen der Kirchen für Gottesdienste kommt mir daher zu kurz, auf welch unterschiedlichen kreativen Wegen wir alle gerade Glauben, Spiritualität, Kirche erleben: Gebete, Andachten im Freien vor Altenpflegeinrichtungen und auf dem Gelände eines Autokinos, zahlreiche Gottesdienste werden regelmäßig gestreamt, auf verschiedensten Plattformen im Netz gibt es Gebetsimpulse, tröstende Worte. Natürlich wäre die Feier der Österlichen Tage in Gemeinschaft mit vielen in der Kirche schön gewesen, mit Weihrauch, Orgelspiel, Gesang. Auch mir fehlt die Möglichkeit der Feier eines ungezwungenen Gottesdienstes am Sonntag. Aber ich mag mir im Augenblick gar nicht vorstellen, wie demnächst ein Gottesdienst unter Einhaltung von besonderen Hygiene- und Verhaltensregeln aussehen kann. Wer darf teilnehmen? Wie ist das mit dem Singen? Kann da überhaupt „Communio“ Gottesdienstgemeinschaft, Beziehung untereinander entstehen? Wird das nicht eher krampfig erlebt? Bleibt da nicht jeder an seinem Platz in der Kirchenbank auf einer einsamen Insel? Der Magdeburger Bischof Feige fragt hier meines Erachtens zu recht, ob auf diese Weise nicht neue Probleme geschaffen und die Frustration vergrößert wird und stellt zur Diskussion, ob man nicht noch etwas abwarten solle, um erst dann wieder gemeinsam Gottesdienste zu feiern, „wenn es natürlicher und menschenfreundlicher“ geschehen könne. Wem Glaube und Kirche etwas bedeuteten, der finde auch weiterhin Möglichkeiten, um geistlich zu überleben. Und gerade das habe ich als neue Erfahrung an Ostern entdecken dürfen. Ähnliche kreative Erfahrungen machen viele Menschen zur Zeit. Und so erleben sie Kirche im Kleinen ganz neu. Denn „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

Vielleicht tut uns allen diese Erfahrung ganz gut und wir können uns umso mehr auf die Feier eines Gottesdienstes freuen, bei dem wir wieder ungezwungen aus voller Brust, ohne Sorge um Infektions- und Ansteckungsgefahr singen, beten und feiern können. Vielleicht sollten wir das aus Verantwortung füreinander noch etwas aushalten.

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