Das Gefühl von „Verbunden sein“ ist das Gegenteil von Einsamkeit. Mit diesem Gedanken joggt Cornelia Schmedes.

Beim Joggen treffe ich eine Bekannte. Ein knapper, aber sehr netter Kontakt. Sie fragt: „Wie kommst du eigentlich mit der Einsamkeit zurecht?“ Ich antworte irgendwas Höfliches und jogge weiter. Aber diese Frage geht mir nicht so schnell aus dem Kopf.

Während der „Corona-Zeit“ habe ich fast alles erlebt und gespürt. Unsicherheit, Angst, Überforderung, Planlosigkeit, Angespanntheit, aber Einsamkeit – nein, dazu kam es noch nicht.

Als Mutter mit zwei Kindern bin ich gerade jetzt ständig mit meinen Kindern zusammen. Alleine bin ich nicht. Selbstverständlich sehne ich mich nach anderen Kontakten. Aber einsam fühle ich mich nicht. Ich spüre sogar eine Sehnsucht, mal wieder mehrere Tage ganz alleine zu sein, ohne Organisation, Pläne und Erreichbarkeit. Einfach sich im Alltag treiben zu lassen. Vermutlich könnte ich das eine ganze Zeit lang aushalten, auch ohne mich einsam zu fühlen.
Geht das Gefühl von Einsamkeit einher mit der Anzahl der Menschen, die einen umgeben? In Deutschland leben 41 Millionen Menschen in Singlehaushalten – fühlen sich diese Menschen einsam?

Alleine leben ist sicher nicht gleichbedeutend mit dem Gefühl von Einsamkeit. Wir leben in digitalen und analogen Welten zeitgleich. 500 Follower bei Instagram schützen vermutlich nicht vor Einsamkeit, aber auch Wohngemeinschaften schaffen es, dass Menschen sich einsam fühlen. Ich habe erlebt, dass es Menschen gibt, die in Pflegeeinrichtungen mit vielen Menschen leben und sich sehr einsam fühlen, wenn sie nicht den erwarteten Besuch ihrer Familienangehörigen erhalten.
Soziologen stellen fest, dass Menschen ihr Leben individualisierter gestalten, je besser ihr Wohlstand ist. Mit individualisierten Lebensweisen steigt das Risiko der sozialen Isolation. Sozialwissenschaftler warnen davor, dass die Einsamkeit zu einer sozialen Krankheit mit Ansteckungsgefahr wird. Ende letzten Jahres wurde debattiert, ob es in Berlin in der Senatskanzlei einen Einsamkeitsbeauftragten geben solle, da es besonders in den Metropolen eine Gesundheitsgefährdung aufgrund der Einsamkeit in der Bevölkerung gibt.

Das Gegenteil von Einsamkeit ist nicht die Geselligkeit, sondern das Gefühl dazuzugehören, das Gefühl der Verbundenheit.

Sozial ausgegrenzt zu werden, gehört zu den größten sozialen Schmerzen der Menschen. Wir erleben das schon als Kinder, wie kränkend es ist, nicht mitspielen zu dürfen. Und auch als Erwachsene ist es schwer zu ertragen, irgendwo nicht dazuzugehören. Aufgrund von Alter, Krankheit, Immobilität, Armut oder anderen Eigenschaften ausgegrenzt zu werden ist schmerzhaft.

Das Gefühl von „Verbunden sein“ als das Gegenteil von Einsamkeit. Mit diesem Gedanken jogge ich weiter und stelle fest, dass ich viele Tage alleine sein aushalten und genießen könnte, weil ich mich stark verbunden fühle. Verbunden in unterschiedlichen Familiensystemen, in der Nachbarschaft, in der Kirchengemeinde, im Freundes- und Kollegenkreis und auch in Vereinen. Ich fühle mich so stark verbunden, dass ich darauf vertrauen kann, dass ich auch durch eine Phase der Kontaktlosigkeit nicht einsam sein werde.

Ein schönes Gefühl, das gerade jetzt wichtig wäre an andere Menschen weiterzugeben. Damit Menschen auf ihre Verbundenheit vertrauen können und das Gefühl von Einsamkeit nicht mächtiger wird.

Das Bild zeigt eine Arbeit des Künstlers Werner Berges mit dem Titel „Jede Menge Leute“ (2007).

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